Sonntag, 23. November 2008

Über die Kunst des Wartens

Mein erster Blick in den Spiegel versetzte mir heute Morgen einen leichten Schock. Der Tränensack unter meinem linken Auge ist über Nacht deutlich angeschwollen, das untere Augenlid gerötet. Ich vermute mal, dass sich ein Wimpernkanal entzündet hat. Mit Augensalbe und Kühlung versuche ich dem Problem beizukommen. Meine Schminktechnik habe ich vorsichtshalber auch gleich geändert. Es ist aber auch zu ärgerlich. Ausgerechnet morgen habe ich einen wichtigen Termin, bei dem ich eigentlich nicht aussehen möchte wie Frankensteins Tochter.

Während ich also darauf warte, dass mein Auge abschwillt, fällt mir ein kleiner Artikel in der Samstagszeitung auf. Danach haben Untersuchungen bewiesen, wie empfindlich unser Körper auf erzwungene Wartezeiten reagiert. Warten belastet den Kreislauf, der Blutdruck steigt, Magengeschwüre können entstehen. Warten ist zudem anstrengend, weil die Anspannung dauerhaft hoch bleibt. Man verausgabt sich dabei oft mehr als bei ungebremster Energie.

Laut Zeitung kommen heutzutage immer mehr Menschen zu dem Schluss, dass Warten neu definiert und gestaltet werden muss. Wie verbringe ich Wartezeit sinnvoll? Viele Menschen gehen heutztage nicht mehr ohne Bücher, Handys etc. aus dem Haus, um für Wartezeiten gerüstet zu sein.

Von Meditationsmeistern werden Wartezeiten allerdings als willkommene Gelegenheit zur Selbstbesinnung betrachtet. Die Frage Inwieweit brauche ich das, worauf ich warte, wirklich?, habe schon in vielen Fällen zur abrupten Reduzierung der Wartezeit auf Null geführt.

(Quelle: Westdeutsche Zeitung, 22.11.08, Die Kunst des Wartens von Hilde Weiss)

A Taste of Snow von der Gruppe Zagar:

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